2015-09-25

Mein Style

Im Kinderkanal gibt es einen „The Great British Sewing Bee”-Ableger für Kinder. Heißt dort „Mein Style” – und jedes Mal, wenn ich bei dem Format versehentlich rein zappe, bleibe ich dort hängen. Da sind – adrette bis fürchterlich hübsch telegene – Kids zwischen 10-16 Jahren, die in einer Woche täglich Näh- und Stylingaufgaben bewältigen müssen. Und das dann tun. Und wie sie das tun! Bewertet wird von einer dreiköpfigen Jury, deren Kommentare dem Niveau der Leistungen dieser jungen echten Nähtalente inhaltlich nicht annähernd gerecht werden. Dafür sind sie jung, wenn auch deutlich älter als die Kandidaten und sie tragen stylische Sachen (Mädels) oder wirken leicht hipstermäßig ungepflegt (Junge).

Natürlich ist dem Format das übliche „Pimp My Social Skills”-Bildungsprogramm beigefügt. Die Kids haben sich untereinander total lieb, helfen sich immer begeistert gegenseitig, und finden sich und die Arbeit der anderen ganz toll und keiner will gewinnen, weil eigentlich doch alle gewinnen müssen. Typische US-TV-Konzept-Scheiße. My As!

Das Mädchen, das für alle Kandidaten einen „Soll-Glück-bringen-Hipster-Schnauzer” genäht hat, macht dann natürlich auch das Rennen. (Das „natürlich” in diesem Satz ist zu 90 Prozent verdammt unfair, denn dieses Mädel kann einfach fantastisch nähen und kreieren.)

Wenn die Kids gestylt und genäht und somit ihre Tagesaufgabe erfüllt haben – und das tun sie alle mit einer Kompetenz, hinter der ich mich locker verstecken und mich sehr klein machen muss – dann führen junge Modelle deren Mode auf dem Laufsteg vor und tun dabei so, wie sie glauben, als Modell auf dem Laufsteg tun zu müssen. Das ist einerseits herzallerliebst anzusehen, weil sie dann doch stellenweise sehr unbedarft bis ungelenk rüberkommen, andererseits lässt es einen fast weinen, denn die Modells, vor allem die weiblichen, sind so dünn. Also: soooo dünn. Einerseits ist das verständlich, denn Mädchen vor der Pubertät sind nun mal kurvenlos. Aber es gibt auch Mädchen vor der Pubertät, die andere Lebensziele haben als mit Size-Zero durch's Leben zu gehen. Die auch das Recht haben, stylish benäht zu werden und diese Mode dann im Fernsehen vorführen zu dürfen.

Die Gewinnerin darf sich über 500,— Euro freuen und auf einen Besuch bei der Berliner Fashion Week. Als Hauptgewinn aber gilt, dass sie nun künftig die erste KiKA LIVE-Fashion-Bloggerin sein darf.

Deutsche TV-Sender loben also als Hauptpreis aus, dass Kinder in ihrem Namen bloggen dürfen. Ich überlege seit gestern nun, ist das jetzt besonders schlau oder besonders doof oder besonders asozial oder nur ganz besonders von gestern?

Hier kann man sich das gestrige Finale mit drittklassiger „Live-Performance” einer der Jurorinnen ansehen. Die teilnehmenden Kandidatinnen und Kandidaten können wirklich etwas. Der Rest? Ich habe da meine Zweifel.

2015-09-24

Obst in Essig

Dieses Jahr habe ich erstmals Obstessige selbst angesetzt. Stachelbeere. Blaubeere. Sauerkirsche und Erdbeere. Die nächsten Tag wird noch mal eine Runde Pflaumenessig initiiert. Teilweise mit Vanille, teilweise mit etwas Honig bzw. Puderzucker. Angesetzt mit weißem Balsamico. Und das alles Anfang August.

Die Stachelbeeren samt Essig habe ich nun heute mit der Flotten Lotte püriert. Danach fiel mir (auch schon) ein, dass ich ja 'nen Vitamix habe, der das mit viel weniger Abfall deutlich feiner pürieren kann. So habe ich den Blautbeeressig also mit dem Alleshäcksler komplett püriert. Konsistenz: sämig wie Balsamessig – nur ohne ihn eingekocht zu haben. Sehr sehr schön. Ich bin begeistert! Nun habe ich noch ein bisschen Puderzucker dran gegeben, um den Geschmack etwas runder zu machen. Fast so fein wie von meinem Lieblings-Essig-Dealer!

Gerade gemixt: die Sauerkirsche. Da ist dann im Vitamix doch sehr lustig, dass am Anfang der eine oder zweite Kern noch im Geäuse ihre Existenz kundtun. Was sich nach 30 Sekunden auf Stufe 10 aber auch erledigt hat. Keine Ahnung, was so ein bisschen zermahlener Kern in einem Essig anrichtet. Vermutlich ist's der besondere geschmackliche Kick. Sauerkirsche darf sich jetzt setzen, dann mixe ich noch mal auf!

Spannende Sache … auf in die herbstliche Salatsaison!

Kleine Dankbarkeiten

Diese Woche beim perfekten Dinner, Menschen aus Deutschland, die nach Mallorca ausgewandert sind und nun dort kochen. Eine angenehme Truppe, Menschen, die zu den normalen bodenständigen Aussteigern zählen. Ich erinnere da eine andere Formation im gleichen Format als Mallorca schon einmal Thema war vor einigen Jahren.

Dann sieht man natürlich Aufnahmen vom Land, dem Meer, der Natur, Sonnenuntergänge. Alles, was diese Insel so besonders macht, was genau gar nichts mit diesem Ballermann-Klischée zu tun hat. Und ich denke natürlich, die haben es gut, obwohl ich genau weiß, wie wahnsinnig schwer die es teilweise dort haben werden. Denn ich weiß, wie hart der Kampf ist – wenn Du dort nicht mit einem riesigen Polster finanzieller Absicherung im Hintergrund dort Dein Glück suchen kannst. Aber die äußeren Umstände und das berühmte „Tranquillo”, machen Vieles wett.

Und dann bin ich beim Zugucken einfach dankbar, dass sich meine Mutter damals ihren Traum erfüllt hatte und diesen Weg – für einige Jahre – auf die Insel gegangen ist und dort eine glückliche Zeit lebte, von der sie noch bis an ihr Lebensende zehren konnte. Und dass sie nun dort ist.

Alles gut!

2015-09-22

Jungfernfahrt

Hier seht Ihr „Die Theo Lingen” im Sommer nach ihrer Jungfernfahrt am Ufer der Badewiese als sie noch gar nicht „Die Theo Lingen” hieß. Im Hintergrund das Geplätscher der Havel.



Vor dem Boot steht ein sehr geschaffter, müder, aufgeregter, glücklicher Mensch, der mit einer ollen Handy-Kamera dieses Foto schießt. Den seht Ihr nicht.

2015-09-21

Herbstbalkon



Der geräumige Herbstbalkon in Berlins Mitte hat wieder einmal den Sommer über viel Freude und Erholung gespendet und langsam aber sicher rüstet er sich zur letzten Blüte bzw. befindet sich mitten drinnen. Die Erdbeere spuckt immer noch neue Blüten und lässt vereinzelte Früchte reifen und die Tomaten tun es ihr freundlich nach.



Überhaupt die Tomaten. Erstmals habe ich in diesem Jahre Tomaten selbst gesät, pikiert und gesetzt und zum Dank habe ich hier Tomaten (die Samenspende kam von Peggy vor einigen Jahren), die mir fleißig über alle Ohren wachsen und langsam an die Balkonecken stoßen und blühen aber sich doch stark mit echten Fruchtständen bisher zurück halten. Trotz aller Pflege, wiederholtem Ausgeizen, Dünger und fröhlicher Ansprache. Nun, wir werden also noch zu Weihnachten hier wohl Tomaten ernten. Es gibt Schlimmeres.



Abgebrochene Tomatenstämme kann man übrigens prima mit Pflaster retten. Es muss aber Kinderpflaster sein, sonst wirkt das nicht!



Und immer noch und wieder und wieder blühen die Malven, denen sich jetzt der herbstliche Hibiskus hinzugesellt hat.



Alles andere wächst noch satt und grün, vereinzelt hier und da ein gelbes Blatt. Ich wünsche mir einen langen glücklich machenden warmen und sonnigen Spätherbst. Und Euch wünsche ich den – wo immer Ihr seid – auch!


2015-09-20

Hier so …

… mindestens drei Mal täglich.

Ich so Katzenklo säubere, um Katzenklo rumfege, Katzenklogefegtes aufnehme …
Sie so (mal drei) auf's saubere Katzenklo gehen, Katzenklosteine verteilen, weiträumig verteilen
Ich so Katzenklo (mal drei) säubere, um's Katzenklo herumfege (also ganze Wohnung fege), Katzenklogefegtes aufnemeh …
Sie so (mal drei) auf's saubere Katzenklo gehen, bloß andere Sorte Geschäft, Katzenklosteine verteilen, weiträumig veteilen
Ich so Katzenklo säubere, um Katzenklo rumfege

Andere Frage. Kann mir jemand eine guten Handakkusauger – prädestiniert für ganze Ladungen Katzenstreu – empfehlen?

2015-09-19

Zum Wochenende …



… ein Foto vom kleinen grauen Plumperquatsch auf balkoniger Lasterhöhle in Sonne.



(Aus der Reihe: eleganter kann man nicht Abhängen.)

2015-09-17

Das Erbe

Im Sommer diesen Jahres saß ich mit meiner Cousine leicht ermattet auf einer Bank im Schatten auf dem Spielplatz und wir guckten dem kleinen Großcousin zu, der unerschütterlich trotz der irrsinnigen Hitze, nicht zu stoppen war in seinem Rennmodus. Und plötzlich waren wir mitten im Thema Sucht. Wir beide haben den gleichen Opa, der eindeutig spielsüchtig und alkoholkrank war, ich dessen einen Sohn zum Vater, alkoholkrank, sie den Bruder zum Vater, wo auch ausreichend konsumiert wird vom prozenthaltigen Nass.

Da saßen wir und unterhielten uns über unser Erbe, über unsere genetische Anlage für Suchterkrankungen.

Das Gespräch war kurz, dennoch intensiv und wurde immer wieder von dem süßen Fratz unterbrochen. Aber für mich war es fast wie eine Wohltat, denn zum ersten Mal konnte ich mit einer Person innerhalb meiner Familie sprechen, die wie ich den Blick auf diese Krankheit(en) hatte und wie ich sehr sorgsam bzw. bewusst mit dieser Anlage versucht zu leben. Ohne die Droge komplett abzulehnen, was sicherlich auch eine sehr nachvollziehbare Möglichkeit ist, damit umzugehen.

Ich trinke gerne Wein oder Sekt, selten einen Cocktail und nie – so diese Spirituosen nicht in einem Cocktail verwendet werden – härtere Alkoholika solo. Ein einziges Mal habe ich versucht, mich vorsätzlich zu betrinken. Das war ein unschönes Erlebnis, das mir aber verdeutlichte, dass es in meinem Leben ein sich betrinken bis zum Filmriss nie geben wird, weil ich in der Beziehung eindeutig nicht die Kontrolle abgebe. Ich mag alle Anzeichen übermäßigen Alkoholkonsums dann haben, aber mein Unterbewusstsein funktioniert noch und das ist eine für mich ganz unangenehme Situation, in der ich mich nie wieder befinden möchte. Aber: ich trinke gerne Wein oder Sekt, weil es mir schmeckt. Tatsächlich trinke ich bei Cocktails nur gerne solche Drinks wie Mojito oder Margarita – aber die, das weiß ich längst, kann man wirklich prima auch ohne Alkohol bestellen oder sich selbst machen. Zumal man in einem guten Cocktail den Alkohol nicht schmecken sollte …

Tatsächlich aber habe ich Alkohol nie unbekümmert genießen können. Schon als Teenager nicht. Als wir anfingen die üblichen Flaschenspiele mit Alkohol etwas auf zu peppen, bzw. uns die zu küssenden mitspielenden Klassenkameraden, die ohne Spiel wohl noch eine lange Weile auf ihren ersten Kuss hätten warten müssen, schön zu trinken. Immer hatte ich das Gefühl, eine/r müsse ja die Übersicht behalten, das war dann ich und selbst als sich im Laufe der folgenden Jahre abzeichnen sollte, wer von meinen Freunden hinsichtlich des Alkoholkonsum eindeutig nicht mehr eine gesunde Kurve bekommen sollte, schwieg ich, denn ich war in meinem Modus in dem ich von jüngster Kindheit an gezwungen worden war: Toleranz zur Sucht.

Nach dem Gespräch mit meiner Cousine, habe ich mir das Buch von Dennis Schreiber „Nüchtern” gekauft. Dessen Rezensionen waren mir in der letzten Zeit immer wieder untergekommen und – wenn auch nicht regelmäßig – habe ich ab und an seine Kolumne in der taz gelesen. „Nüchtern” liest sich hintereinander weg, es ist – und das meine ich sehr positiv als Kompliment – sicherlich das pragmatischste Buch, das mir zu dem Thema Alkoholsucht jemals begegnet ist. Was Herr Schreiber vor allem geschafft hat, obwohl er hier quasi sich eine eigene Biografie seiner Sucht und dem Leben danach mit ihr geschrieben hat, keinen übergriffigen Ratgeber abzuliefern. Etwas was viele solcher Biografien nicht gut hinbekommen. „Nüchtern” ist nämlich tatsächlich erstaunlich nüchtern geschrieben – und das macht für mich die hohe Qualität dieses Buches aus. Man kann es ganz losgelöst von der eigenen Person und ihrem Umgang mit Alkohol lesen. Im Hintergrund aber rumort und ackert es im Gehirn und interessanterweise hat sich mein Alkoholkonsum, seit ich das Buch binnen anderthalb Tage ausgelesen habe, in Richtung null entwickelt. Es gab zwei Mal Wein als eine Freundin hier in Berlin zu Besuch war, den habe ich auch sehr genossen. Nur: ich vermisse ihn nicht. Gar nicht.

Mir ist klar geworden, da ich eh nie in diesem Leben werde Alkohol trinken können, ohne zu hinterfragen, ob ich in die Richtung meines Vaters etc. tendiere, so dass die Freude daran immer eine getrübte gewesen ist und sein wird. Es fließt immer eine Spur schlechtes Gewissen meine Kehle mit hinunter. Und ich möchte dieses Gefühl einfach nicht mehr. Es war schlussendlich omnipräsenter als es mein Alkoholkonsum je war. Das Verhältnis hatte sich ganz merkwürdig verschoben. Und Daniel Schreiber beschreibt sehr eindrücklich wie sehr einfach man süchtig vom Alkohol werden kann oder ist. Selbst, wenn man ihn nur sehr wenig bzw. unregelmäßig konsumiert. Sagen wir es so, wer dieses Buch offen liest und sich selbstkritisch hinterfragen möchte und reagieren möchte, der wird der Alkoholindustrie künftig eher Feind als willkommener Kunde sein. Ich rede nicht von absoluter Abstinenz – aber wer nach Lektüre dieses Buches weiterhin jeden Abend zum Abendessen ein Bierchen trinkt, ist – so muss man es nun mal deutlich sagen – längst auf dem Tripp.

In der lustigen wöchentlichen Gesprächsrunde ist eine angenehme Person anwesend, die sich in den letzten Jahren von ihren Süchten befreit hat: Alkohol und Zigaretten, nacheinander. Momentan heißt ihre Droge Kaugummi. Sie erzählte diese Woche ihre Geschichte, die sehr sehr meiner eigenen Geschichte gleicht. Eltern und Geschwister voll auf dem Tripp bis hin zum Exitus der Mutter, die Schwester lebt noch, scheint es aber der Mutter nachmachen zu wollen. Und mittendrinnen sie, die mit ihren eigenen Dämonen kämpft, sich sorgt und im Grunde so diese Droge einfach auch nicht loswerden kann.

Dieses Gespräch hat in mir ganz viel aufgeweckt und wieder bewusst sein lassen; vor allem begreifen lassen, was das alles mit mir und meinem Leben angestellt hat. Die Sucht in meiner Familie.

Ich war knapp vier Jahre alt, da stand ich mehrmals nachts vor meiner Mutter, die, nachdem mein Vater sie schon nachts im Suff verprügelt hatte, schützend in unserem Schlafzimmer vor meinem Bruder stand, den mein Vater nun als nächstes verprügeln wollte. Mich hatte er – aus welchen Gründen auch immer – nicht angerührt und ich weiß, dass ich als Kind das unerschütterliche Wissen hatte, das er das auch nicht tun würde. Also stand ich vor meiner Mutter und meine Bruder und beschützte sie vor meinem Vater. Meine Kindheit endet ungefähr zu diesem Zeitpunkt. Mein Bruder wirft mir heute noch vor, dass mein Vater mich nie angerührt hätte. Als hätte ich daran schuld.

Ich wurde also mit knapp vier Jahren in die Position gehoben, die Schlimmes verhindern konnte. Ich wurde zu einer kleinen Person, die sich um ihr Umfeld sorgte und kümmerte. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt war meine Kindheit vorbei. Heute weiß ich, seit ich im letzten Jahr begriffen habe, das ich wohl das bin, was man hochsensibel nennt, dass ich ungeheure Antennen hatte hinsichtlich der Stimmung in meiner Familie. Ich kann mich so genau erinnern, dass mein Vater unten die Haustür öffnete (wir wohnten im vierten Obergeschoss!) und ich da förmlich spürte, in welcher Verfassung, ob besoffen und (noch) in Schmuselaune oder besoffen und schon aggressiv war und versuchte die restliche Familie darauf einzustimmen bzw. krampfhaft mich bemühte, dass wir ab jetzt bloß nichts falsch machten.

Übrigens möchte ich heute noch Menschen, die im Suff zu mir kommen und zu mir besonders nett „schmusig” sein wollen, töten. Die anderen auch. Nichts ist schlimmer für mich als wenn ein Mensch, egal ob bekannt oder unbekannt vor mir steht und mit verschwommenen Blick und unklarer Haltung von mir Zuneigung einfordert, weil der Suff diese Person gerade besonders empfänglich dafür macht. Daran ist nichts niedlich, lustig oder verständlich. Bitte: geht mir weg!

Mein Vater hatte meine Mutter in diesen Zuständen zum Sex gezwungen. Damals nannte man das übrigens – weil Eheverhältnis – nicht Vergewaltigung.

Jahre später, meine Mutter hatte sich von meinem Vater getrennt und nach einer bitteren beruflichen Odyssee als Alleinerziehende eine Weiterbildung zur Arzthelferin gemacht und schien beruflich ein bisschen angekommen zu sein, kompensierte sie aber dennoch bereits zu diesem Zeitpunkt ihre persönliche Unzufriedenheit über ein ordentliches Maß an Hypochondrie.

Ich war die einzige Person im Haus, die damit zu leben hatte. Mein Bruder hatte sich zu unserer Großmutter in die häusliche Bequemlichkeit verabschiedet. Über die natürliche Liebe zur Mama hinaus, war sie schlussendlich die einzige Person, auf die ich mich irgendwie verlassen konnte, also sorgte ich mich sehr um sie. Ich hätte gefühlt niemanden gehabt, wäre sie mir auch noch weggebrochen. So einen Bruch hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach erlebt, zum einen mit der Scheidung, die mein Vater nutzte, sich jetzt nicht mehr allzu aktiv mit uns Kindern beschäftigen zu müssen und dem Tod meines, wirklich heiß geliebten aber eben alkoholsüchtigen Opas und meiner Oma. Meine Welt war einfach relativ früh nicht mehr so ganz in Ordnung. Shit happens.

Das berufliche Umfeld und die Neigung meiner Mutter sich ganz gerne über, manchmal vom Arzt diagnostizierten, manchmal sich selbst verordnete Diagnosen zu definieren, ließen sie sehr leicht an Medikamente zu kommen und die schluckte meine Mutter dann auch stellenweise sehr gerne und in Mengen. Ich lebte als dreizehnjähriges Mädchen mit meiner Mutter und ich sehe sie heute noch morgens in der Küche stehen, während ich am Frühstückstisch saß, und sie sich neben der Kaffeemaschine stehend ihren ersten Pillencocktail zu genehmigen. Die Pille nahm sie dann abends im Bad. Und mehr. Bei uns lagen, seit ich denken konnte, offen Tabletten herum. Ich ahnte, dass das alles nicht so sein sollte, wie es war und hatte einfach schreckliche Angst um meine Mama. Und da war niemand mit dem ich darüber hätte sprechen können, denn mein soziales Umfeld bescheinigte mir immer sehr früh, dass ich so ein vernünftiges, kluges, umsichtiges und verantwortungsvolles Kind sei. Klar, war ich das. Ich hatte ja zu funktionieren, während es alle anderen um mich herum nicht oder phasenweise nur sehr eingeschränkt taten.

Allerdings muss ich sagen, dass meine Mutter auch immer auf ihre Weise „funktionierte” – auch über ihren eigenen Kräfte hinaus. Nur ich war es, die eben immer mitbekam, wenn diese Kräfte abwesend waren. Spätestens dann war ich gefordert. Ich war oft erster und einziger Ansprechpartner, denn ich kannte mich in unsrem Leben aus, vor allem in der familiären Situation. Ich hatte Verständnis, ich teile die Sorgen, um den Bruder, um das Geld, um die Arbeit meiner Mutter, um die sie betrügenden Liebhaber meiner Mutter. Also hatte ich auch Verständnis für die „Krankheiten” meiner Mutter. Ich glaube, in meinem Gehirn hatte sich seit zwei Jahren die Sorge formuliert, dass meine Mutter eigentlich tablettensüchtig sei. Nur: ich kannte damals das Wort noch gar nicht als vielleicht gerade mal Dreizehnjährige.

Ein Jahr zuvor hatte sich meine Großmutter suizidiert, dieser schreckliche Umstand trieb meine Mutter in die Depression und somit in die medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka (damals waren diese deutlich als etwas anderes zu begreifen, als heute). Und wie schon gesagt, sie kam an den Stoff heran. Ich hielt das aus, ich hatte – wie mir mein Umfeld andeutete – stark zu sein für meine Mutter. Und außer meiner Mutter fragte mich eigentlich nie jemals jemand, wie ich denn mit dem Tod meiner Oma zurecht kommen würde? Ich dealte mit dem Suizid meiner Oma, wobei Suizide in den 70iger noch eine etwas andere Nummer waren als heute (schon alleine für die Hinterbliebenen im Image) und mit der Depression meiner Mama. Zum Trost durfte ich damals endlich eine Katze haben, die ich mir gewünscht hatte seit ich denken konnte. Katze also für Kindheit, vielleicht macht das deutlich, warum mir diese niedlichen Viecher heute noch immens wichtig sind!

Als Fünfzehnjährige habe ich all meinen Mut zusammen genommen und ihr gesagt, dass sie zu viele Tabletten nimmt und ich Angst habe, das sie wie mein Vater wird (der mittlerweile dank diverser Entzugstherapien auch wirksame Tabletten zu sich nahm – und weil es schöner knallte weiterhin MIT dem Alkohol.) Dank ihm hatte sich zwischenzeitlich das Wort „tablettensüchtig” in unserer Familie etabliert und ich konnte ahnen, dass der Begriff etwas ambivalent in seiner Bestimmung war. Zumindest machten die Tabletten meinen Vater mehr und mehr zu einem Quartalstrinker, was an sich ganz positiv war. Er war zwar ständig unter Tablettenstrom – aber dann prügelte er sich wenigstens nicht mehr. Mein Bruder, zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig, hatte mittlerweile eine stattliche Alkohol- und Drogenkarriere nicht nur angestrebt, sondern war bereis gut im Vollzug. Das war dann eben so in unserer Familie, „er kam halt nach seinem Vater.” Schrecklich, aber voll legitimiert. Und alle bitteren Konsequenzen, die sich daraus ergaben, wie Sorgen, Kosten oder Gerichtsverfahren und deren Kosten, schmetterte die Familie in ihrem besonderen Einvernehmen der Sucht gegenüber gemeinschaftlich ab, damit dem armen Jungen, „der ja bloß nach seinem Vater kam und dafür nichts konnte” bloß nicht so etwas wie Gefängnis passierte. Der Rest dann schweigen. Ich hielt aus.

Aus diesen Sorgen heraus rief ich nun meiner Mutter sehr tief verzweifelt zu, ich hielte sie für tablettensüchtig! Eine Sorge übrigens, die meine Mutter mich schon öfter hatte unserem Hausarzt vorstellen lassen, um meine akuten wiederkehrenden Magenschmerzen zu behandeln. Ich bekam also bereits in diesem Alter eine Runde legaler Drogen verabreicht, die meine Magenschleimhaut wieder reizlos werden machen sollte und meine Mutter hielt mich im Grund für ihren „Partner in Crime”, der nun erstmals aufbegehrte.

Nun sprach ich also aus, was mich bekümmerte – da war aber was los! Natürlich lag ich völlig falsch, denn sie nahm die Medikamente ja nur, um arbeiten zu können; vor allem um mir ein gutes und ruhiges Leben gewährleisten zu können. In der Folge versuchte sie mich psychiatrisch therapeutisch – wegen der chronische Gastritis an der ihrer Meinung nach vorrangig mein Vater schuld war – unterzubringen, was ich ihr untersagte. Also ich ging einmal ihr zuliebe zu einer jugendlichen Gesprächsrunde und wollte das nicht für mich. Ich erlaubte mir also keine Gastritis mehr zu bekommen bzw. thematisierte meine Magenschmerzen einfach nicht mehr. Tatsächlich aber nahm meine Mutter danach doch deutlich weniger Tabletten zu sich. Jedenfalls solange ich bei ihr lebte. Der unausgesprochene Deal aber dann war, dass ich mich deutlich mehr um sie zu bemühen hatte und ihr das Leben zu erleichtern hatte, wenn sie wieder Krankheiten und Gebrechen züchtete.

Ich tat das. Denn ich war ja vernünftig. Und ich trug die Verantwortung, das war ich gewohnt! Sagen wir es ganz deutlich: wenn ich etwas besser konnte als alles andere zu dieser Zeit, dann Verantwortung tragen. Das Schlimmste für mich war, meine Mutter leiden zu sehen. Und sie litt körperlich so gerne – auch außerhalb jeden realen Leidens. Tatsächlich war meine Mum jenseits der traurigen Phase nach Selbsttötung meiner Großmutter immer ein sehr vitaler, lebenslustiger und fröhlicher Mensch. Aber sie hatte den todbringenden Männerschnupfen für sich erfunden!

Ich setzte zu dieser Zeit für mich eigene sehr stille Signale. Das war die Zeit, im Grunde begann sie kurz bevor ich auf's Gymnasium kam, dass ich still und heimlich für mich erschöpft war. Nach außen galt ich als introvertiert, was ich nie war, ich mochte all meine Freunde und Freundinnen sehr. Aber wenn ich die Chance hatte, Ruhe und Stille zu haben in unserer Wohnung, weil meine Mutter arbeiten war, dann brauchte ich diese Zeit tatsächlich für mich. Das wurde eben auch verstärkt durch diese Hypersensibilität. Alltag ist etwas, was mich viel früher und mehr ermüdet, als andere Menschen. Leider musste ich nun 49 Jahre alt werden, um das verstehen zu können – und ohne mich als ständige Versagerin zu fühlen, weil ich in der Beziehung so anders bin als andere.

Nachdem meine Mum vor nun neun Jahren gestorben war, zudem in einer in unserem Verhältnis sehr schwierigen Phase – ich habe meine Mama immer sehr geliebt aber ich konnte damals schlicht nicht mehr das Ventil sein für ihre Hypochondrie – und ich ihre Wohnung soweit aufräumte, habe ich drei (!) Schubladen vorgefunden in der Größe einer Ikea-Malm-Komode, breites Modell: voller Medikamente. Völlig unsortiert. Eine vierte Schublade, die den Anschein hatte von ihr abgewählte Medikamente zu beherbergen. Nur im Schlafzimmer. Küche und Bad lassen wir außen vor.

Die letzten Jahre, gut ein Jahrzehnt, habe ich also damit verbracht Schuldgefühle mit mir herum zu schleppen, weil ich offensichtlich nicht bemerkt hatte, dass sie weiterhin Tabletten konsumiert haben muss. Sie im Grunde ihr Ding genauso weiter gelebt haben wird, nachdem ich ausgezogen war. Vielleicht hatte sie nach meinem Ausbruch als Fünfzehnjährige bloß aufgehört die Tabletten vor mir zu nehmen. Natürlich hatte sie später wirkliche Diagnosen, deren Ursprung sicherlich in der einen oder anderen jahrelangen Medikamentation gelegen haben dürfte; aber eben auch altersbedingte Diagnosen, die eine Medikamenteneinnahme tatsächlich notwendig machten.

ICH habe also die Tablettensucht meiner Mutter nicht bemerkt bzw. ich habe ihr vertraut, obwohl ich es hätte besser wissen müssen, sehen müssen. Das muss man aushalten, wenn man schon als sehr kleines Kind mitbekommt, dass man die Verantwortung für die anderen, auch vor allem für die Eltern, auf allen möglichen Ebenen zu tragen hat. Und mit diesen Selbstvorwürfen muss ich nun leben. Denn sie sind nicht mal eben abzulegen, nur weil andere Leute, darunter auch professionell ausgebildete Menschen, mir sagen, das sei im Grunde nicht mein Bier (super Kalauer mit diesem Textbezug, oder?). Natürlich weiß ich das mittlerweile auch – aber es ist ein ganz schwerer und harter Weg das auch wirklich umzusetzen. Und immer wieder gibt es da Momente, wo im bereits gegangenen Weg an irgendeiner Stelle zurückgespult wird und ich wieder neu ansetzen muss. Verantwortung trage ich eigentlich immer für andere. Für mich? Ganz anderes Thema. Sehr neues Thema.

So einen Moment hatte ich nun diese Woche als diese patente Frau von ihren Süchten und ihrer Familie sprach und ihrer Schwester und ich begriffen hatte, dass ich nie damals mit meinem Bruder über seine Sucht gesprochen hatte beziehungsweise ihn angesprochen hatte und mich sofort wieder als Versagerin und ganz mies fühlte und mich das Gefühl überkam, mich nicht genug auch um ihn gekümmert zu haben. Als Kind. Keine oder nicht ausreichend Verantwortung getragen zu haben für ihn. Als Kind. Der er dreieinhalb Jahre älter war. Also ich das deutliche jüngere Kind.

Zumal er mir heute noch vorwirft, dass ich ja im Gegensatz zu ihm keine Prügel von unserem Vater bekommen habe. Als ob ich dafür etwas könnte oder mir das jemals so ausgesucht hätte. (Tatsächlich ist das nämlich, bei allen Vorteilen, auch ganz schön mies als einzige Beteiligte von der Prügel innerhalb einer Familie ausgeschlossen zu werden. Richtig: ausgeschlossen. Da wird man nämlich ungefragt ausgeschlossen aus dem Leidensverband! Quasi alleine aufs Boot aufs offene Meer gesetzt, während sich alle anderen aneinander ketten dürfen im gemeinsamen Leid.)

Und nachdem ich dann diese Woche da saß und heulte, wurde mir dann doch bewusst, dass ich genau nicht die Verantwortung zu tragen habe dafür, wie mein Bruder sein Leben gestaltet hatte. Was ein echtes Novum war in meiner Gedankenwelt und was mir zeigt, dass ich – mit nun demnächst fünfzig Jahren auf dem Rücken – offensichtlich langsam auf einen für mich besseren Weg bin.

Das ist ein sehr langer Text geworden. Und er ist sehr intim. Und ich danke Euch Lesern, die bisher durchgehalten haben! Aber da mein Blog für mich in der Vergangenheit immer auch ein Stück therapeutisch war, war für mich einfach wichtig das einmal zu virtuellem Papier zu bringen.

Worum ich aber wirklich inständig bitten möchte, vor allem Euch Eltern oder Großeltern: wenn Ihr ein Suchtproblem habt (und das beginnt viel früher als sich die meisten Süchtigen eingestehen möchten oder können) dann kümmert Euch BITTE um Euch und lasst nicht zu, dass sich Eure Kinder oder Enkel – egal wie jung oder schon alt – sich um Euch kümmern und sorgen müssen! Diese Last zu tragen, ist so sehr das Leben beeinflussend und wer seine Kinder liebt, sollte ihnen das bitte nicht zumuten!

Und jetzt brauche ich einen Kaffee! Meine Sucht.

2015-09-16

Heute koch ich, morgen brat ich …

Einer der charmantesten Köche, Foodstylisten, Blogger und Autoren, Stevan Paul, von uns Bloggern auch liebgewonnen als NutriCulinary, hat wieder zugeschlagen. Dieses Mal mit einer wundervollen Idee zu einem Kochbuch namens „Heute koch ich, morgen brat ich – Märchenhafte Rezepte”.



Wie der Titel schon verrät, hat dieses Buch eine wundersame Nähe zu Märchen und daher schlägt es gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: es ist nämlich ein Kochbuch UND ein Vorlesebuch!



Natürlich kann Stevan Paul in seinem Blog (unbedingt unten auch den Trailer ansehen!) viel besser erklären, wie es überhaupt zu dieser besonderen Buchidee und dann zu dem wunderschönen Buch kam, das mir hier vorliegt und dank der Graphik und wertvollen Aufmachung ein ganz besonderes Kochbuch geworden ist.

Zu einer ordentlichen Buchrezension gehört es sich natürlich als kochender bloggender Mensch auch ein paar Rezepte nachzukochen, soweit bin ich allerdings noch nicht. Ich muss das Buch erst noch bestaunen, anfassen, begutachten, liebhaben, lesen und dabei ein bisschen glücklich sein, weil es einfach so schön geworden ist! Deswegen für diese erste Rezension einfach nur ein paar Fotos als Appetithappen, die zeigen, was für ein großartiges Stück Papierkunst mit offensichtlich sehr viel Liebe – ob vom Autoren, Koch, Stylistin (Tanja Trific), Grafikerin (Anja Laukemper),



Fotografin (Daniela Haug),



Hölker Verlag und Küchengastgeberin (eine Burg! Eine Burg!) geschaffen wurde. Und zwar bis hin zur Haptik und dem Lesezeichenband in Schneewittchens Rot.



Also kurz vorab: schenkt Euch das Buch! Oder: lasst Euch das Buch schenken! Vor allem: verschenkt das Buch! Stimmt die Menschen in Eurem Umfeld einfach froh und glücklich mit diesem Buch!

Stevan Paul „Heute back ich, morgen brat ich”
Verlag: Coppenrath
ISBN-10: 388117978X
ISBN-13: 978-3881179782

2015-09-15

Strausberg



Wie schon berichtet, sagte ich neulich zu einem Wanderführer rund um Berlin beim hiesigen Discounter nicht nein. Der Drang neue Ecken zu erleben, abseits der etwas überfüllten Stadt, ist momentan recht groß bei mir. (Dieses „ich mache demnächst das halbe Jahrhundert voll” macht komische Dinge mit mir!) In diesem Wanderführer blätterte dann Abends die Nachbarin von gegenüber, die mich auf den neuesten Stand unserer Nachbarin unten rechts brachte und stellte bei der Tour nach Strausberg fest, dort sei es besonders schön.

In Strausberg war ich einmal recht kurz nach dem Mauerfall. Wir sind auch nur durchgefahren, alles wirkte damals auf mich, wie typische Orte in der DDR wirkten, recht grau, einen langjährigen visuellen Mangel an Farbe und Baumaterialien penetrant vor sich herzeigend.

Nun, so nachbarlich motiviert, stieg ich Samstag mit Rucksack und ordentlichem Schuhwerk in die S-Bahn und machte mich schon im Vorfeld leicht beeindruckt auf den Weg, denn alleine die Fahrstrecke nach Strausberg beträgt von meinem Standpunkt in Mitte aus eine knappe Stunde – was für Berliner S-Bahn-Verhältnisse ab Stadtmitte erstaunlich lang ist. Die S-Bahn pflegte mir noch ein zusätzliches kleines Abenteuer in die Tour, denn mein Aussteigebahnhof sollte „Strausberg Stadt” heißen – der eh nur von jeder zweiten S-Bahn nach Strausberg angefahren wird, weil die Linie nach Strausberg nur eingleisig verläuft – und genau dieser Bereich der Strecke ist bis Ende September gesperrt und wird von einem Bus-Ersatzverkehr bedient.

So erwartete uns am S-Bahnhof Strausberg ein Bus, der mit uns die restliche Strecke abfuhr und hätte ich nicht zwischenzeitlich vergessen, dass ich gar nicht nach „Strausberg Nord”, der Endhaltestelle, hätte wollen, sondern bereits den Bus in „Strausberg Stadt” hätte verlassen können, was mir just und schon in dem Moment auffiel, als sich die Türen an dieser Haltestelle wieder geschlossen hatten und der Bus bereits anfuhr, hätte ich mir sicherlich nicht die kleine zeitliche Unwucht ins Tagesgeschehen gebastelt.

„Das würde wohl nicht so tragisch sein”, dachte ich und „denn was ist schon eine Station mit dem Bus und die könnte ich sicherlich locker zurück laufen?!” Aber erst nach einer gefühlten Weltreise landeten wir in Strausberg Nord an einem Bahnhof der typischen plastifizierten Neuzeit nach Mauerfall in so etwas wie einem Industriegebiet jungfräulich nach „erschließ mich weiter!” rufend. Es luden am Bahnhof ein: ein Restaurant, erstaunlich nobel eingedeckt, zwei Sitzbänke und die Endpoller der einspurigen Bahnlinie am Bahnhof, der das Zeug gehabt hätte, die besondere Melancholie von „12 Uhr mittags” zu vermitteln. Hätte uns doch nur der cleane Look ein paar Wollmäuse auf der Straße im Wind gen Norden wandernd gegönnt. Und hätte der in der unmittelbaren Nachbarschaft liegende Ford-Autohändler nicht zum Fest geladen und eine ein-Mann-Kappelle auf der Bühne Hits in deutscher Sprache der Hitparade der 80iger Jahre zum Besten geben lassen. Ein Autohausfest und ein Markus-Replikat, das „Ich will Spaß, ich geb' Gas!” singt – darauf muss man ja auch erst einmal kommen im Autohaus-Marketing!

Da ich wusste, würde ich jetzt von dem Poller ein Foto machen, würde der Bus direkt kommen und ohne mich losfahren, entschied ich mich für gegen das Foto!

Meine zeitliche Unwucht nach einem ca. 20 mintütigen Aufenthalt bis der gleiche Bus uns wieder zurück fuhr und diese eine Station zurück, kosteten mich insgesamt ca. 30 Minuten. So sah ich den hässlicheren Teil von Strausberg wenigstens zwei Mal und konnte mich daher nicht beklagen. In „Strausberg Stadt” hielt ich mich geographisch an die ausgeschilderte Richtung „Fähre”, enterte einen Postbank Geldautomaten und eine Eisdiele und gönnte mir eine Kugel Schokolade und Eierlikör in der Waffel, wobei „Eierlikör” mich prompt leicht beschwingte. Mehr gab es dort auch nicht wirklich zu entern in der „Großen Straße”, einer verkehrsberuhigten Zone in der allerlei Kommerzangebote sich feil bieten. Wäre es eben nicht Samstag am frühen Nachmittag gewesen und da hat einfach alles zu. In Strausberg. Bis auf ungefähr drei Blumenläden auf einer Strecke von unter 1.000 Metern.

An einer großen Kreuzung folgte ich dem Wegweiser Fähre nach rechts und stand kurz darauf vor der Fähren-Anlegestelle. Und somit vor dem Straussee.



Ganz dem Wanderführer vertrauend, hielt ich mich weiterhin links dem Uferweg folgend, der übrigens für die Nutzung mit Rollstühlen oder Rollatoren gängig und begradigt wurde und wusste nicht, ob ich zuerst die unfassbare Klarheit des Wassers des Straussees rechts



oder die „hier wird »Schöner Wohnen« gelebt”-Villenanlagen links hoch über mir bewundern sollte, die natürlich alle kleine, fürchterlich romantische Zugänge zum See ihr eigen nennen dürfen.



Überall luden Miniatur-Sandstrände ans oder ins Wasser. In der Ferne fuhr ein kleines Fährgastschiff (das einzige dort motorbetriebene erlaubte Schiff) und einige Angler saßen in ihren Ruderbooten auf dem See bzw. spielten Menschen in einem solchen Gitarre.



Unterwegs fand ich auch zwei am Wegrand installierte „Müll aus dem See gefischt”-Kunstinstallationen, die ruhig ein wenig der Mahnung dienen können. Und wer immer ganze Kaugummiautomaten in Seen wirft, den möge das böse Kaugummimonster ruhig einmal ordentlich heimsuchen!





Ich lief die eine Seite des Sees hoch bis an sein Ende und versuchte den dort ausgewiesenen Wasserturm zu finden, der dann aber irgendwann schlicht nicht weiter ausgewiesen war, was sich insofern als ungünstig erwies, weil der Weg sich dreifach gabelte. Meine erster Versuch in eine Richtung sollte sich als falscher Versuch erweisen und so lief ich zurück zum Wegweiser „Bötzsee”, um wieder an das Ufer des Straussee zurück zu gelangen und meine Umrundung fortzuführen.



Übrigens sagt der Wanderführer, dass diese Tour einmal um den See herum (ab S-Bahn) ca. zehn Kilometer Länge hätte und man ca. drei Stunden Zeit einkalkulieren solle.



Auf der anderen Uferseite traf ich noch viel schönere Sandstrände und, der fortgeschrittenen Zeit geschuldet, viel schönere Lichtverhältnisse,



die zwei Menschen mit ihren Gitarren nun am Ufer übend (wie großartig ist das denn?) und zwei Damen auf Rädern mit Tour-Ausstattung, die es sich nicht nehmen ließen auf einem Gaskocher in einer sehr sehr edlen Carmencita ihren Espresso am Strand aufzukochen. Ein dekadenter aber wunderschöner Habitus, den ich mir direkt auf meine ToDo-Liste schreiben wollte. Kaffee kochen kann ich nämlich, trinken auch, Gitarre spielen nicht. Jedenfalls nicht so, dass ich damit Besucher einer Sees belästigen wollte. Und Blockflöte ist da auch keine Option.



Zu diesem Zeitpunkt war ich schon längst komplett diesem See verfallen, der mit seiner Klarheit fast ein wenig an das Mittelmeer erinnern wollte und natürlich lag meine nächste Schlauchboottour im Zielort bereits fest. Mittlerweile war es knapp nach 17 Uhr und ich entschied mich hinsichtlich einer kleinen Bootkompensation der Empfehlung des Wanderführers „Abkürzung mit der Seilfähre” zu folgen,



die einen für 1,30 Euro von einem Ufer zum anderen übersetzt – und als – Europas einzige elektrische Fähre – auch als Denkmal gilt.





Ich würde auch immer empfehlen die Tour so herum zu machen, denn so fährt man mit der Fähre auf die Skyline von Strausberg mit der ollen Stadtmauer zu, was für das eigene Leben visuell hübsch bereichernd ist.



Der Fährenkapitän trägt einen schönen Seemannsbart, die Fähre ist auch mit Rollstühlen, Rollatoren oder Kinderwagen befahrbar und überhaupt hatte ich die letzte Fähre des Tages erwischt. Herbstfahrplan, da ist ab 17:30 Uhr Schluss. Ansonsten kann man bei Bedarf auf dieser Fähre auch heiraten. Oder Skat spielen.

So bleibt mir für meinen nächsten Ausflug nach Strausberg noch die andere Hälfte des Sees zu Fuß zu umrunden oder per Boot zu befahren oder mit dem Rad die „Drei-Seen-Tour” (Straussee, Bötzsee, Fängersee) zu radeln. Ich schoss noch ein paar wirklich schlechte Enten-Fotos,



beguckte mir beglückt die Stadtmauer, marschierte zum S-Bahnhof zurück; nahm vorher zur Kenntnis, dass ich mit dem Schlauchboot und der Straßenbahn ab S-Bahnhof Strausberg fast direkt an das Ufer zur Haltestelle „Lustgarten” würde fahren können und fuhr mit der S-Bahn gen Sonnenuntergang und Berlin zurück, was auch ein sehr schöner Abschluss des Ausfluges war.

Mann, ist dieser See wunderschön! Und Strausberg auch! Alleine die Mühe die Stadtmauer zu restaurieren, hat sich mehr als gelohnt. Und am Sonntag hatte ich ganz schön Muskelkater. Im Rücken und am Bauch. War aber sehr glücklich.

2015-09-13

Ich bin beeindruckt

Ich laufe nicht wenig im Alltag. Auch und vor allem in der Stadt. Im Schnitt laufe ich Strecken über drei U-Bahnstrecken lieber selbst, bevor ich die Öffentlichen bemühe. Nun war ich Freitag eine Runde mit Nachbarshund in Karow, rund um die Karower Teiche – was eher einem entspannten Spaziergang glich. So ein Hund muss ja viel schnuppern und beachten. Die Strecke selbst in der Länge mehr als übersichtlich – für meine Verhältnisse.

Gestern habe ich mich (einem beim Discounter erworbenen Wanderführer rund um Berlin geschuldet) nach Strausberg aufgemacht, eine kleine Tour rund um den Strausee angedacht. Nun ließ die verfügbare Zeit nur eine halbe Seeumrundung zu, ich kürzte über die letzte Fähre des Tages ab. Aber ich lief strammen Schrittes gute zwei Stunden so rum. Und zog vorher (ausnahmsweise) sogar festes Schuhwerk an.

Und heute habe ich einen Muskelkater … an Stellen … haste nich' jedacht! Den Beinen geht's gut. Aber meine Bauchmuskulatur? Die Rückenmuskulatur? Mein lieber Herr Gesangsverein und Frau Gesangsvereininnen!

Sollte ich Doofi jemals die Synchronisation zwischen dem Smartphone und meinem Rechner hinbekommen, gibt es auch Fotos. Versprochen!

2015-09-10

Surreal

Es ist alles so viel gerade, das bewegt, bewegt wird. Und ich weiß gar nicht mehr, wohin zuerst denken?

Gestern erzählt auf Facebook ein junger Mann davon, dass er eine junge syrische Familie, Mann (Apotheker), Frau (Radiologin) mit einem Kleinkind kurzerhand bei sich und seiner Frau bei sich aufgenommen hatte, damit sie Ruhe und Schutz vor dem Wetter finden. Und das kleine offensichtlich kranke Kind von der Straße kommt, um gesund werden zu können. Er erzählt die Geschichte der Familie, dass der Mann in Syrien Menschen unterstützt hatte mit Medikamenten und dabei nicht nach deren politischer Gesinnung unterschied und man ihm dafür die Apotheke zerstörte. Bevor man ihn und seine Familie töten konnte, sind sie geflohen. Über unendliche viele Wege … zwischenzeitlich mussten sie sich von dem älteren Kind trennen, dem es gesundheitlich sehr schlecht ging und es irgendwie zu den Großeltern nach Schweden schaffen, was geglückt ist. Und sie hoffen nun, dem Sohn folgen zu können. Mit dem zweiten kleinen Sohn, der sein halbes kurzes Leben auf der Flucht verbrachte.

Insgesamt hat diese Familie 31.000,— Euro an Schlepper bezahlt, um überhaupt soweit kommen. Schlepper, die die Familie vor Griechenland einfach über Bord geworfen hatte.

Dann flattert per E-Mail der übliche Newsletter von Germanwings ins Postfach und erklärt Dir, Du könntest doch für nicht ganze 30˛– Euro mal wieder nach Italien oder London fliegen …

… das ist alles so surreal.

2015-09-09

Tally sagt „Danke!” …



… für die tollen Nierendiätfutterspenden! Und weil sie sich so freut, hat sie sich ausnahmsweise auch fotografieren lassen (an Lieblingsspielratte).

2015-09-08

hart aber fair Gender-reloaded

Ich kann Simone Thomalla nicht ab – auf den ganz unterschiedlichen Ebenen ihres Wirkens in der Öffentlichkeit. Aber: sie steht für eine neue Generation von Frauen, die eine Meinung hat auch zu Themen, die sie vielleicht komplett in ihrer Gänze (noch) nicht begriffen hat, und das ist richtig und gut so. Davon abgesehen kann man auch instinktiv Gutes und Wahres zu Dingen sagen, selbst wenn man sie noch nicht zu 200 Prozent durchleuchtet hat. Wie wir Frauen gerne glauben, das immer erst einmal tun zu müssen – bis wir uns eine Stimme geben oder die anderer Frauen akzeptieren wollen. Wenn wir uns oder ihnen überhaupt eine Stimme geben.

Nun behaupte ich sicherlich nicht, dass Frau Thomalla ständig Gutes und Wahres raushaut, ganz im Gegenteil, zieht's bei dem von ihr Gesagtem mir doch öfter den Kopf magnetisch in Richtung Tischplatte. Aber sie hat alles Recht der Welt Dinge zu sagen, die andere nicht hören möchten, weil's nicht mit der eigenen Meinung konform geht. Sie lässt sich – als Frau – nicht den Mund verbieten, nur weil man von ihr erwartet weiblich niedlich und nett zu sein. Das althergebrachte Spielchen spielt sie nicht mit. Der größte Prozentsatz von Männern in öffentlichen Debatten tut das genau auch nicht. Nur deren abweichende Meinung wird selten hinterfragt – schon gar nicht vom eigenen Geschlecht; das männliche Geschlecht kann nämlich einfach sein und gelten lassen.

Männer brauchen nicht zur Stärkung ihrer eigenen Thema absolute Solidarität in einer Gesprächsrunde. Die haben soviel Rückgrat, die können auch zu einem Thema unterschiedliche Meinungen vom eigenen Geschlecht zulassen.

Wie gestern dagegen „gestandene” Frauen wie Sybille Mattfeldt-Kloth und Anne Wizorek alias Martha Dear in einer Gender-Debatte (!) gegen Simone Thomalla geschossen haben – stellenweise gänzlich losgelöst vom eigentlichen Sende-Thema, dafür unschön persönlich – weil sie nach ihrer unangenehm zur Schau gstellten überheblichen Vorstellung meinen, Frau Thomalla hätte keine Ahnung von dem Thema (was so nicht stimmt, Frau Thomalla hat nur eben eine konträre Meinung zum Thema) – das war so ein unterirdisches Zicken-Gedisse, wie ich es bitte nicht mehr sehen, noch hören möchte bei diesem doch recht relevanten Thema „Gender”.

Ich war so unangenehm berührt von dem weibischen Habitus, der da an den Tag gelegt wurde, (Anne Wiczorek tat das bereits in der letzten Sendung) dass ich zwanghaft fast Sympathien für Frau Thomalla empfinden musste. Und das nehme ich den beiden gegen Frau Thomalla hetzenden Frauen nun wirklich übel!

Wie kann man vor laufender Kamera „als vermeintlicher Profi” so persönlich gegen einzelne Personen (des eigenen Geschlechts!) schießen und damit die Chance so dermaßen vertun, sich inhaltlich pro-aktiv zum eigentlichen Thema „Gender” zu äußern?

Nur weil diese einzelne Person eine andere Meinung zum Thema vertritt, wird ihre Kompetenz angezweifelt (als Frau!)?

An welcher Stelle genau wurde denn die Kompetenz von Wolfgang Kubicki hinterfragt, dessen Funktion auch nur die ist den staatlich geprüften Macho zu geben (zumindest nach außen) und generell zu jeder Talkshow-Einladung „ja!” zu sagen? Der Mann darf konträr zu persönlichen eigenen Meinung diskutieren, die Frau nicht? Und das nennt Ihr dann Gleichberechtigung? Echt? Ich nenne das gleichgeschlechtliche Zwangshaft!

Frau Thomalla also mag vielleicht nicht die Meinung aller Feministinnen teilen und vielleicht hat sie inhaltlich auch nur einen Teilbereich verstanden oder will nur Stücke davon nachvollziehen – aber sie hat das Rückgrat sich mit dieser ihrer Meinung in eine Sendung zu setzen und ihr Mitspracherecht einzufordern mit einer Fairness, die anderen anwesenden Frauen offensichtlich nicht mit in die soziale Wiege gelegt worden ist.

Jedenfalls musste Frau Thomalla wenigstens nicht öffentlich vor laufenden Kameras erzieherisch in vollem Umfang von Birgit Kelle gemaßregelt werden – wie Mattfeldt-Kloth und Wizorek. Und wahrlich zur Recht! (War ich peinlich berührt!)

Bei Frau Wizorek habe ich nun leider ein weiteres Mal erleben müssen, dass sie öffentlich den Ausschluss einzelner Personen direkt oder indirekt fordert. Sie hat es in diesem Jahr bereits getan, als sie in der Twitter-Öffentlichkeit der re:pulica-Orga nahelegte, Sascha Pallenberg nicht als Sprecher einzuladen, weil dieser ihrer Vorstellung von Feminismus-Meinungsträger nicht zusagte. Das ist ein NoGo!

Irgendein Medienberatungs-Profi sollte ihr vielleicht einmal sagen, dass sie so etwas nicht tun sollte, weil Profis so etwas nicht tun. Schon gar nicht aus einer persönlichen Betroffenheit heraus! Man diskutiert nicht die Teilnehmerliste in einer Diskussion, man diskutiert ausschließlich das Thema. Und man lernt damit zu dealen, dass in einer Diskussion auch Menschen sitzen, gerade des eigenen Geschlechts, die eine andere Meinung vertreten als man selbst.

Die Zeiten des Absolutismus sind nämlich zum Glück Vergangenheit!

2015-09-06

Wilde Tinte

Seit ungefähr zwei Jahren erklärt mir der hiesige Laserwriter sein Toner wäre alle. Seit ungefähr zwei Jahren ignoriere ich diese Meldung geflissentlich. Seit ungefähr zwei Jahren entnehme ich die Toner-Cartridge dem Drucker, will er partiell partout keine Tinte mehr aufbringen, schüttele diese und setze sie wieder ein und drucke erneut. Das lief so prima in den letzten zwei Jahren, dass ich im Grunde davon überzeugt war, ich könnte das Spiel noch endlos so weiter spielen. Also wenigstens weitere zwei Jahre.

Jetzt habe ich mir wildes Ding allerdings doch neuen Toner gegönnt. An der Stelle finde ich immer sehr schön, dass Menschen auf Amazon ihre persönlichen Lebenserfahrungen mit Tonern in ihren Rezensionen mit uns teilen.

Nunmehr kommen meine Briefe also wieder in schwarz und nicht mehr in RAL 1745.

2015-09-05

Ein wahr gewordener Traum

Es gibt ein Foto von meinem Vater mit meinem Bruder am See in einem kleinen Holzboot. Mich gab es damals auch schon aber ich war noch zu klein zum Boot fahren. Meine Eltern hatten zu dieser eine Gartenparzelle in Kladow. Langer Holzbau mit kleinen Unterteilungen, wo man sich gerade mal bei Regen drinnen aufhalten wollte. Schlafen konnte man dort, wenn auch ungerne. Es war die Zeit in dem sich mir als sehr kleines Kind erstmals kleine Bruchstücke im Gehirn fest setzten. Dunkles Grundstück, viel Insekten. Als viel lieber gewonnene Alternative in meinem kleinen Kinderherzen dazu der Garten meiner Großeltern, der immer in der prallen Sonne lag und mir somit schon als kleinem Lebewesen mehr ins Gemüt passte.

Irgendwann erhielten meine Eltern die Kündigung, angeblich sollten die Parzellen abgerissen werden und einem neuen Bau weichen. Ich meine, diese Holzbauten heute noch in Kladow stehen zu sehen. Vermutlich konnte meine Mutter einfach die Pacht nicht mehr zahlen, es war die Zeit in der mein Vater schon viel zu viel trank und regelmäßig seine Jobs verlor.

Ungefähr als ich acht Jahre alt war, ich besuchte die dritte Klasse, flatterte uns ein Wertheim-Prospekt ins Haus in dem ein orange farbiges Kajak abgebildet war, in das ich mich sofort verliebte. Ich schlich bei Wertheim bzw. Hertie in den damals noch deutlich umfangreicher ausgebauten Sportabteilungen rum und himmelte diess Boot auch in der Realität an. Der Deal mit meiner Mutter war dann, dass ich es bekommen sollte, würde ich in die vierte Klasse nur mit Einsen und Zweien auf dem Zeugnis kommen.

Und dann besaß ich ein Kajak!

Wenn ich heute überlege, was so ein Boot damals schon wog und ich es trotzdem mit großer Begeisterung nach der Schule von zu Hause zum Bus mit häufigem Umsteigen bis zum Wasser schleppte und abends nach Hause, es muss wirklich die ganz ganz große Liebe gewesen sein. Im Schnitt fängt so ein Boot bei 10 Kilo Eigengewicht an – ohne Blasebalg und Paddel.

Meine Mutter schleppte mich dann über eine Bekannte von einem Bekannen einmal am Wannsee in einen Kajak-Verein. Ich sollte mir angucken, ob mir der Sport so Spaß machen würde. Ich setzte mich in ein Kajak, von der Stabilität her eine ganz andere Herausforderung als mein gemütliches PVC-Kajak und paddelte mutig in dem kleinen abgegrenzten Bereich am Verein auf dem „großen Wasser”, bis die anwesenden Herren auf die Idee kamen meinen Wildwassertauglichkeit zu testen und schmissen an einem Boot den Motor an und drehten diesen Hoch, ich sollte im Strudel der Schiffsschraube paddeln. Ich hatte Angst, dann Panik, ich weinte, ging an Land und wollte nie wieder diesen Verein von innen sehen.

Ich erinnere aber großartige Sommer mit meinem eigenen Boot. Ich war ein sehr glückliches Kind in diesem Boot auf dem Wasser. Dieses glückliches Kind verlieh das Boot einmal an meinen Bruder und ich sah das Kajak nie mehr wieder. Über ein Jahrzehnt später – mein Bruder war damals schon auf seinem Wunsch hin aus unserem Leben verschwunden – riefen mich völlig fremde Menschen an, um mir zu sagen, sie hätten mein Boot im Keller aber es sei kaputt.

Der Schmerz saß lange.

Ich habe eine große Liebe zum Wasser. An und auf dem Wasser geht es mir gut, ich fühle mich dort sicher und frei. Da war immer der Traum vom Bootsschein. Segeln ist nicht so so sehr mein Ding, Speedboote sind‘s auch nicht. Gemütlich schippern, da fühle ich mich wohl bei. Paddeln finde ich großartig, weil noch etwas Sport dabei ist und man aufgrund der Bauweise der Boote fast ein bisschen im Wasser sitzt und man so eine Einheit bildet. Dieser Geruch, das Gluckern … ich liebe das sehr.

Einer der schönsten mich tragenden Tage im vergangenen Jahr war ein Tag im ausgeliehenen Kajak auf dem Müggelsee. Wenngleich diese Kajaks vom Handling her eine Strafe waren, es war ein Tag voller Frieden, Glück und ich konnte lange von diesem einen Tag zehren. Und da war der Wunsch nach einem eigenen Boot war wieder ganz nah.

Als es mir vor einigen Wochen krankheitsbedingt ziemlich mies ging, hat mir ein sehr sehr lieber Mensch einen, diesen Herzenswunsch erfüllt. Gestatten, dass ich vorstelle:
„»Die« Theo Lingen”:



Das Besondere an der „Theo Lingen” ist, sie ist mein! Sie fährt mit mir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf einem Trolley mit Pumpe und Paddel (bzw. neu im Rucksack). Sie ist sehr schnell aufgepumpt und seetüchtig und paddelt gemeinsam mit mir seit einigen Wochen über die Berliner Gewässer. Wir üben noch ein bisschen den Abbau aber auf dem Wasser sind wir mittlerweile ein gutes Team. Ich fühle mich sicher und langweile mich fast schon auf allzu stillen Seen. Ich muss noch lernen richtig zu entspannen, neue Touren bringen natürlich auch immer etwas Aufregung mit sich, der Unkenntnis der Strecke geschuldet.

Als wir das erste Mal auf dem Wasser waren, an der Havel, ging es mir hinterher richtig schlecht. Ich war zu angespannt, zu aufgeregt und obwohl ich schon vorsichtig war mit der ersten Strecke und mich vermeintlich nicht überanstrengen sollte/wollte, war ich am Ende richtig fertig. Zudem war der Tag zu heiß. Mir tat die ganze Nacht der Arm weh, als wollte er sich direkt in eine Sehnenscheideentzündung begeben; der Rücken schmerzte. Sport ist Mord. Kurz: ich war fürchterlich verunsichert, ob meines Wunsches und seiner Erfüllung.

So bin ich die nächsten sehr heißen Tage lieber mit Rad erst Strecken abgefahren, um zu gucken, wo ich an für mich neuen Wassergebieten gut mit den Öffentlichen ran komme. Denn das frühere übersichtliche Angebot an befahrbaren Strecken ist seit meiner Kindheit im Westen durch die „hinzugekommenen” Gewässer im Osten riesengroß geworden. Berlin ist eine wundervolle Stadt für den Wassersport. Wenn ich mir ansehe, wo ich überall im ehemaligen Ostteil der Stadt und ihrer Umgebung noch wundervolle Touren fahren kann, wird mir ganz schwindlig vor Überschwang!

Mittlerweile sind wir gemeinsam schon einige schöne Touren gefahren und wachsen immer mehr zusammen. Ich finde das Boot wunderschön, qualitativ ist es sehr gut und ich bin froh, meine Entscheidung zugunsten genau dieses Bootes getroffen zu haben. Langsam wachsen auch die Paddel prima in die Hände (man benutzt ja Muskeln beim Paddeln, die man auch schon länger nicht mehr gespürt hatte) und unsere Touren werden immer länger. Und ich dabei immer glücklicher. Und entspannter.



Wir treffen unterwegs nette Menschen und haben interessante Gespräche. Ich sehe Berlin von der anderen Seite als von der bekannten Straßenseite und die Stadt und ihre Umgebung wird dabei jedes Mal ein Stück entzückender. Die Sonne motiviert, die Natur verschönt uns den Tag und dieses Boot macht mein Leben gerade ganz reich und ein großes Stück leichter und mein Gemüt luftiger als es noch vor einigen Wochen war.

Ich bin so froh!

Dankeschön für dieses wertvolle Geschenk!

2015-08-30

Wirtschaftsflüchtlinge, und so.

Frau kelef hat da einen mehr als wundervollen und gerechten Text über „Wirtschaftsflüchtlinge” geschrieben.

2015-08-27

Frau Nessy schreibt wieder über Yoga …

Das ist so ein Grundgefühl beim Yoga: In die andere Richtung würd’s mehr Sinn machen.

2015-08-26

Maaagiiiiiic!

Der neue Kratzbaum im Flur macht, dass sich jetzt eine Nishia (vor der Drahttür an und auf dem Kratzbaum, wahlweise morgens auf meinem Rücken) und eine Shiina (hinter der Drahttür) mit dem spannenderen Spielzeug treffen können und zunehmend entspannter still Zwiesprache halten, derweil ich das Frühstück bereite. Nishia kann dabei, wenn ich beide Katzen unterhalte und streichle, sogar schnurren. Sie geht mittlerweile sogar soweit, dass sie Shiina, wenn sie sie hinter der Drahttür sieht, freundlich anbrrrt. (In der Fachsprache nennt man anbrrrren wohl angurren, was ich bei Katzen immer merkwürdig schräg in der Anwendung empfinde.) Freundlich anbrrrren ist unter Katzen so etwas wie ein HighFive. Das ist zwischen den beiden Dickschädeln mehr als ich in letzter Zeit noch zu träumen wagte.

Das Shiinchen wiederum eskaliert hinter der Drahttür immer weniger, soll heißen, sie hängt jetzt nur noch einskommafünf Mal in der Drahttür und macht auf kleinen gremmligen Aggressor. Wenn sie auf die Tür und die dahinter sitzende Katze zuläuft, nimmt das auch schon mal spielerische Züge an, so mit Schwänzchen hoch und freundlichem Blick. Ihre anfängliche Eskalation hinter der Tür beim Anblick einer Katze führt sie nur noch auf ca. 40 % durch. Sie kann ihre Pupillen nach einer Weile sogar schon von ganz groß tiefschwarz auf normal stellen und mit dem Köpfchen den Draht beschmusen.

Sie kann gelegentlich von der Tür weggehen, eine Runde im Zimmer drehen und entspannt wieder an die Tür kommen. Nishi als auch Shiinchen können die zuckenden Schwanzspitzen ab und an bereits auf „Stillstand” stellen, während sie sich so gegenüber sitzen. Man sitzt jetzt also gemeinschaftlich an einer Drahtür „am Baum” und redet über das Wetter. (Oder miese Futterlieferungen.)

Es ist ein enormer Fortschritt. Der klitzekleine Fehler (aber den möchte ich wirklich nicht groß ins Gewicht fallen lassen): ich hatte diesen Fortschritt schon für 2013 eingeplant.

2015-08-25

Blogger für Flüchtlinge III – Gäste aus Syrien

Vor vierzehn Tagen wurde hier in der Stadt Berlin fast allen Bewohnern erstmals der Begriff „LaGeSo” (Landesamt für Gesundheit und Soziales) bekannt. Dort standen an einem der heißesten Tage im Jahr die Menschen nach ihrer Flucht zu Hunderten in der prallen Sonne und wurden seitens des Senates nicht einmal mit dem Nötigsten, nämlich Wasser, versorgt. Die Zustände dort vor Ort machten in den Sozialen Medien, später auch in den journalistischen Medien, die Runde und es waren Bürger und Hilfsorganisationen, die sich sofort sehr engagiert um diese Menschen kümmerten.

Freunde von mir haben in diesem Zusammenhang über das Wochenende drei Menschen aus Syrien aufgenommen und die nächsten Tage begleitet. Ich bat sie im Rahmen unserer Aktion „Blogger für Flüchtlinge) (#bloggerfuerfluechtlinge) diese Geschichte aufzuschreiben. Hier nun der erste Teil von Ann Effes.

Eigentlich nur zufällig vor zwei Wochen die Situation vor dem LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin. Dort müssen sich neu in der Stadt angekommene Flüchtligne registieren, um dann in einem der Auffanglager Unterbringung zu finden.) mitbekommen, weil ein Kollege (der auf Facebook aktiv ist) mich drauf aufmerksam machte.
Partner erzählt, grosse Augen.

Da haben wir uns dann zwei Tage mit rumgequält und irgendwann haben wir gesagt: „Wir fahren jetzt da hin.” Das war am Freitag vor zwei Wochen um 22:30 Uhr. Die Idee war, irgendeine Familie mit kleinen Kindern aufzusammeln, damit die nicht in einem Park bis Montag übernachten müssen.

Als wir ankamen war der Park aber geräumt und ein THW-Helfer, der da noch rumstand, sagte uns, die Flüchtling seien alle in die Kruppstrasse gebracht worden.

„Okay”, haben wir gedacht, „dann fahren wir jetzt ‘ne Pizza essen und wieder nach Hause.”

„Höchstens”, sagt der THW-Mann, „könnten Sie die da noch in die Kruppstraße bringen.”

„Die da” war eine Frau und zwei kleine Kinder. Offenbar mit dem letzten Zug aus München in Berlin eingetroffen und von einem Taxifahrer umsonst zum LaGeSo gefahren.
Gut, machen wir natürlich.

Kruppstraße – nur zehn Minuten Fahrzeit entfernt – stellt sich dann aber als hohffnungslos überbelegt raus, das ist nämlich nur so eine Aufblashalle, und schon proppenvoll. Ganze fünf freiwillge Helfer versuchten den Laden zu schmeißen und sagen uns unverblümt: „Wir haben nichts mehr, die muss hier draußen auf dem Platz schlafen. Da halten sich sowieso schon dutzende Leute auf.”

Also kurz überlegt: Wir nehmen die drei mit, und fahren sie Montag wieder zum LaGeSo, wo sie sich registrieren lassen müssen. Das ihr mit einem Dolmetscher vor Ort klar gemacht, denn die Frau kann nur Arabisch.

Auf der Fahrt per Telefon nach Leuten im Bekanntenkreis gesucht, die arabisch können (da war es schon nach 23:30 Uhr), schließlich jemanden gefunden und der erklärt ihr, was der weitere Plan ist und fragt sie, ob sie etwas braucht.

Eigentlich sind mir da nur zwei Dinge hängen geblieben: Wie peinlich ihr es sei, uns zu belasten und dass sie Kleidung für die Kinder brauche.

Alles, was die drei mit hatten, passte in eine kleine Reisetasche.

Mit dem Wort für „Kleidung” gibt es erstmal Probleme, denn unser Telefondolmetscher ist Palestinenser und sie kommt aus Syrien und die Dialekte sind wohl doch sehr unterschiedlich. Ich wundere mich eigentlich nur kurz und überlege mir: Wenn es umgekehrt wäre, ich wäre auf der Flucht und ein Araber würde mir als Dolmetscher einen Bayern oder Schweizer finden können, könnte es auch Probleme geben.

Zu Hause angekommen wird erstmal etwas gemacht, womit ich nicht so gerechnet habe. Mittels Gesten: Wie ist das WLAN-Passwort? Das wird in ein arg ramponiertes Lumina gehackt und dann per WhatsUp irgendwelchen Familienangehörigen oder Freunden mitgeteilt, dass man noch lebt und alles gut ist. Wie sich später herausstellt, waren die Drei buchstäblich Monate unterwegs und sind unter anderem 14 Tage zu Fuss gelaufen. Anfänglich waren noch die Brüder der Frau dabei, die die Kindern getragen haben, sie wurden aber getrennt (unter Umständen, die wir nie ganz klären konnten) und sind - wie wir zwei Tage später ermitteln konnten - in Schweinfurt gelandet.

Weil wir alle Kleidung waschen wollen, geben wir ihr Sachen von uns, die grob passen könnten. Sie scheint froh, dass wir auch an ein Tuch denken. Streng gläubig ist sie erkennbar nicht, ohne Kopftuch zeigen, möchte sie sich aber trotzdem nicht.

Dann duschen. 40 Minuten. Dann ins Bett – bis am nächsten Tag um 12:00 Uhr.

Ich bin dann mehr oder weniger die ganze Nacht damit befasst die Kleidung zu waschen. Die Sachen sind natürlich … sehr dreckig.

Die Sachen in der Tasche sind total durchnässt - offenbar schon länger, denn zum Teil hat sich Schimmel gebildet. Lässt mich vermuten, dass auch sie mit den Kinder auf einem Boot im Mittelmehr unterwegs war, die genaue Route bekommen wir aber nicht raus – auch, weil wir nicht wirklich nachfragen.

Ich muss also alles im Grunde zwei Mal waschen und benutze auch so Kram wie OXIclean und reichlich Waschmittel. Dabei finde ich auch Ablehnungs-Papiere aus Ungarn („Abgelehnt, reisen Sie weiter nach Deutschland!”), und einen syrischen Ausweis. Unterlagen aus denen hervorgeht, dass sie angeblich 26 sei und die Kinder 4 und 6 Jahre alt sind.

Das mit den Kindern kommt hin; bei ihr habe ich Zweifel, ich glaube inzwischen eher, dass sie um die 18-20 war und die Kinder nicht ihre.

Ist mir egal. Sie hat die Reise nicht aus Spaß gemacht.

Und ja, sie hat sogar zwei Smartphones dabei! Das wird ja gerne als Beweis genommen, dass es den Flüchtlingen doch (zu) gut gehe und sie nur aus wirtschaftlichen Gründen hier seien. Ich sehe es so: Gerade wenn es denen in Syrien so gut gegangen ist, dass sie sich zwei Smartphones leisten konnte, dann kommt sie ja wohl genau NICHT wegen wirtschaftlicher Gründe hierher!

So oder so: Wenn ich morgen flüchten müsste, was würde ICH mitnehmen? Meine Papiere und Ausweise, etwas zum anziehen, alles Geld, das ich habe und mein iPhone. Oder?

Eben. Das würde doch jeder machen! Das iPhone sind alle Bilder die ich mitnehmen kann, alle Kontakte, alle Telefonnummern und eventuell der einzige Weg, mit anderen aus meiner Familie noch Kontakt aufzunehmen. Und genau so hat sie es auch gemacht.

Und ich kann sagen: Der Zustand der Telefone erzählt auch eine Geschichte. Ich habe eines noch persönlich repariert, weil da nämlich die Gehäuseteile schon abfielen.

Später hat sie dann noch eine App auf eines der Telefone geladen, die gesprochene deutsche Sätze in Arabisch übersetze und umgekehrt. Ich war schwer beeindruckt, auch wenn die Übersetzungen machmal wie maschinellen Übersetzungen typisch daneben lagen. Uns hat's sehr geholfen.

Am nächsten Tag dann rüber zu unseren Nachbarn. Die haben wegen ihrer Enkel Kinderklamotten und wir haben auch passende Sachen gefunden. Und zwei Rucksäcke als Ersatz für die angeschimmelte und durchnässte Tasche, die schon in Auflösung begriffen war.

Die Kinder spielen im Garten. Wir haben auch noch etwas Spiel- und Malzeug. Unsere Nachbarn haben noch so eine Plastikrutsche wegen der Enkel aufgebaut, die wird ausgiebig genutzt, ebenso das Kinderhaus.

Der 4-jährige Junge ist zunächst ein echter Rabauke, null Aufmerksamkeitsspanne und agressiv. Am Sonntag beruhigt er sich langsam spürbar. Das Mädchen ist sechs Jahre alt und schlau. Sie lernt mehr deutsche Wörter über das Wochenende als ich arabische (ich kann jetzt drei).

Ihrer Mutter (oder Schwester) ist das Ganze peinlich. Sie traut sich kaum zu sagen (also zu zeigen) was sie essen will. Wir wollen ihr eigentlich etwas zubereiten, was sie kennt (kein Schwein und so, ist klar), schließlich kommen wie immer dank Internetsuche weiter. Sie hilft uns, wo sie kann, räumt alles ab und in die Spülmaschine, manchmal wird's mir peinlich, weil sie am Ende des Essens immer sofort aufspringt und alles wegräumen will.

Am Sonntag (am Nachmittags ist Waffelessen bei den Nachbarn, die sie zunächst für unsere Eltern hält – wegen des Altersunterschiedes) zeigt sie uns schliesslich ein IS-Propagandavideo. Unter anderem genau die Videos, die ich nicht sehen wollte: Wie in Deutschland grossgeworden Idioten mit eine AK-47 in der Hand erklären, kämpfen für den IS wäre wie URLAUB für sie - und am Ende jemand in den Kopf schiessen.

Ich wollte das nicht sehen.
Aber es ist genau so.
Augen zu machen, hilft nur bedingt.

Ist mir dabei auch in den Sinn gekommen, dass sie uns das gezeigt hat, um Mitleid zu erregen? Ja, das gebe ich zu. Aber: dass sie aus Syrien kommt, daran gibt es insgesamt keinen Zweifel. Ob sie vor dem IS oder dem Bürgerkrieg geflohen ist, ist mir schlussendlich dabei egal.

Keiner, der noch die Wahl hat, macht sich mit zwei Kindern auf diesen Weg und lässt alles zurück.


Ich hoffe, Ann kommt die nächste Zeit dazu, noch die Fortsetzung zu schreiben.

Es werden weiterhin im Rahmen der Aktion „Blogger für Flüchtlinge” Spenden gesammelt, die an freiwillige Organisationen, die deutschlandweit aktiv die Menschen hier vor Ort unterstützen, verteilt werden. Bitte helft, wer kann mit einer Spende, wer nicht kann mit dem Teilen des Links!